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Videotechnik
Ziel
Eine traumatische Erfahrung aus der Vergangenheit wird bearbeitet,
damit diese Erfahrung die eigenen Verhaltens- und Erlebensspielräume
weniger beeinflusst.
Methode
Der Kern der Methode besteht aus drei Elementen:
1. Der Klient sieht mit seinem heutigen Ich sein damaliges
Ich aus einer ihn schützenden Distanz, indem er die Situation
und dabei auch sich selbst aus der Position eines Betrachters
beschreibt, der ein Video ansieht. In diesem Video wird all
das gezeigt, was geschehen ist. (Diese Sichtweise hat der Methode
ihren Namen ’Videotechnik’ gegeben.)
2. Der Klient stellt ein singuläres schmerzhaftes Erlebnis
in einen zeitlichen Zusammenhang mit einem guten Davor und
einem guten Danach. Dieser relativierende Kontext ermöglicht
ihm leichter und beweglicher mit dem peinigenden Erlebnis umgehen
zu können.
3. Der Klient wendet mit Liebe und Zuneigung sich selbst in
der schmerzhaften Situation zu. Das ist es, was heilt.
Kennt der Klient eine schmerzhafte Situation in seiner Vergangenheit,
die heute noch immer auf ihm lastet und ihn beeinträchtigt,
kann er daran mit der Videotechnik zu arbeiten. Er braucht
dafür die Zeit einer längeren Sitzung von mehr als
45 Minuten und eine leere Wand, die ihm gegenüber liegt
und auf der er sich den Film mit den belastenden Szenen vorstellen
kann.
Der Klient stellt sich vor, dem schmerzhaften Erlebnis aus
seiner Vergangenheit auf einer sich vor ihm befindenden Leinwand
zuzusehen. Er lässt dem Film vor seinem Innerem Auge ablaufen.
Er spricht dabei von dem Film als würde er das Geschehen
einer Person beschreiben, welche gerade die Leinwand nicht
sehen kann. Als Hilfe kann er sich vorstellen das Bild jemanden
zu beschreiben, der z.B. gerade in der angrenzenden Küche
den Abwasch macht, oder jemanden, mit dem er gerade telefoniert.
Da er auch sich selber als Teil des Geschehens auf diesen Schirm
projiziert, spricht er von sich selbst dabei in der dritten
Person. Auch das schafft eine schützende Distanz zu dem
Geschehen auf der Leinwand. Der Klient begleitet dabei sich
selbst, den Hauptdarsteller des Films, mit zugewandter liebevoller
Aufmerksamkeit
Ich sitze jetzt hier und sehe auf der Leinwand: Dort ist er/sie
und ...
Ich passe genau auf, was passiert ...
und wenn der Film für einen Moment anhält, eine
Pause macht, kann der Klient sagen:
Was ich ihm (dem Hauptdarsteller) sagen möchte, ist:
...
Ich unterstütze ihn dabei, ....
Ich liebe sie/ihn.
Diese Zeit für eine liebevolle Zuwendung nimmt sich der
Klient an jeder Stelle, an der ein starkes Gefühl aufkommt.
Er nimmt sich auch Zeit dafür Gefühle, die hochsteigen,
auszudrücken und sich dadurch immer wieder Entlastung
zu verschaffen.
Der Klient nimmt sich genauso Zeit für jede einzelne Szene
des Videos. Erst wenn eine Szene detailliert beschrieben ist,
wechselt der Klient zu einer davor liegenden früheren
Situation, bearbeitet sie in der gleichen Weise und wiederholt
das so lange, bis er zu einem Moment kommt, in dem es noch
keinen Schmerz gab, in dem es ihm noch gut ging. Auch diese
gute und sichere Situation beschreibt er mit allen Details.
Danach wiederholt der Klient alle Szenen, die er auf dem Schirm
gesehen hat noch einmal in umgekehrter zeitlich richtiger
Reihenfolge:
Was war bevor alles anfing? Was geschah dann zuerst? und dann?
und dann? Was war, nachdem es aufgehört hatte?
Der Klient kann beim Aufzählen der Situationen die Finger
benutzen. Das kann helfen zu unterstreichen, dass das Geschehen
etwas Vergangenes, jetzt nicht mehr Gegenwärtiges ist,
das auch als Solches abgespeichert wird, eine Situation, in
der er sich jetzt nicht befindet.
Vergleichen kann man diese Art der Aufzählung damit, wie
manchmal von einem Unfall berichtet wird: 1. Teil aus der Zeit
vor dem Unfall als es noch gut war (ich führ auf der Strasse
nach ....) 2. Teil der Unfall selbst (plötzlich fuhr
der Radfahrer nach links ...) 3. Teil etwas aus der Zeit nach
dem Unfall als es wieder gut war (... konnte ich wieder laufen).
Auch wenn es von Dimension her unangemessen erscheinen mag,
sei trotzdem hier angemerkt, das auch die Geschichte von Leben,
Leiden und der Auferstehung Christi, diesem einem Heilungsprozess
unterstützenden Prinzip folgt.
Vorschläge des Counselers dazu
Um überhaupt zu dieser Technik zu wechseln kann der Counseler
in der Anfangsphase einer Sitzung fragen: Möchtest du
die Videotechnik benutzen? Ist die Sitzung fortgeschritten,
kann er stattdessen fragen: Möchtest du dir vornehmen,
in einer der folgenden Sitzungen mit der Videotechnik zu arbeiten?
Die Videotechnik selbst kann der Counseler mit den folgenden
Interventionen unterstützen:
Was geschieht dort?
Was geschieht vorher?
Und davor?
Was geschieht dort auf dem Bildschirm?
Es geschieht dort auf dem Bildschirm, es geschieht nicht hier
. Was siehst du?
Richte deine Augen weiter auf den Bildschirm.
Du lachst, was geschieht auf dem Bildschirm?
Gibt es noch etwas, was du zu diesem Bild sagen möchtest?
Atme weiter.
Hast du alles beschrieben, um zu der Szene davor gehen zu können?
Was geschieht weiter?
Wie fühlt sie/er sich?
Kannst du ihr/ihm etwas liebevolles sagen?
Kannst du ihr/ihm etwas sagen, dass ihn unterstützt? (Du
hast es richtig gemacht. Du warst tapfer. ... ?)
Beachte
Klient und Counseler sitzen bequem, so dass sie konzentriert
arbeiten können. Der Klient beschreibt sich in der dritten
Person. Der Klient ist solidarisch mit sich selbst in der
Szene. Was war gut (hilfreich, rettend, klug ...) daran,
dass er/sie das getan hat? Viele der oben beschriebenen Co-Counsel-Techniken
können während der Beschreibung der einzelnen Filmszenen
verwendet werden, wie Buchstäbliches Beschreiben Selbstwahrnehmung,
acting into usw. . Die Videotechnik ist in dem Sinne eine
Drehbuch für eine Folge von Techniken.
Hintergrund
Gibt es eine unberarbeitete traumatische Situation und wird
diese in einer Sitzung nach oben geholt, kann es zu einer
Wiederholung der Verletzung kommen. Geschieht so etwas oft,
kann Co-Counseln schaden, anstelle zu helfen. Sitzungen aktualisieren
dann Verletzungen aus der Vergangenheit, anstelle diesen
einen realistischen Platz in der Vergangenheit zuzuweisen.
Der zeitliche Kontext in den der Klient mit der Videotechnik
die verletzende Situation stellt¸ hilft dem Gehirn der
unverarbeiteten Situation einen Platz zuzuweisen, sie zu integrieren:
Diese Erfahrung ist ein Teil von ihm, sie hatte eine bestimmte
Zeit und einen Ort, der unterschieden ist vom Hier und Jetzt.
Solch ein Prozess kann nicht erzeugt werden, wenn die Aufmerksamkeit
allein auf die belastende Situation selbst und die damit verbundenen
Gefühle gerichtet ist. Durch den bei der Videotechnik
entstandenem Plot sind zu vorher isolierten Erfahrungen sozusagen
fehlende Puzzle-Teile hinzugekommen, durch die sie ihren Ort
und ihre Zeit erhalten. Ist der Plot auf diese Weise mit ganzem
Herzblut geschrieben, kann etwas schreckliches, das vielleicht
einmal die ganze Welt durchdrungen hat, den Schrecken in der
Gegenwart verlieren – man weiß dann besser: Es
ist vorbei. Ist das passiert, kann man danach auch andere
Träume träumen.
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