Was ist Co-Counseln?
Eine alltägliche Situation:
Paul besuch seine Freundin. Ihr Telefon klingelt. Sie nimmt
den Hörer ab. Es ist eine ihrer Freundinnen: Es entwickelt
sich ein längeres Gespräch. Sie erzählen sich,
wie es ihnen geht, und wie es ihnen in verschieden Situationen
ergangen ist. Paul sitzt in ihrer Nähe und kann ihr
zuhören, wie sie über Dinge spricht, die passiert
sind, über ihre Ideen und ihre Gefühle dazu. Für
Paul ist das auf der einen Seite etwas völlig normales.
Es war schon oft so. Was ihn jetzt jedoch berührt und
beeindruckt, ist, er bemerkt, wie offen sie miteinander umgehen.
Er denkt: „Wie kommt es, dass ich solche Gespräche
mit meinen Freunden nicht habe?“
Er hatte bisher über sich gedacht, ein offener Mensch
zu sein. Jetzt, während er dem Gespräch seiner
Freundin genauer zuhört, beginnt er sich auf einmal
zu fragen ob er selbst in der Lage ist solche erfüllenden
Kontakte mit anderen Mensche zu haben. Er ist stolz auf seine
Beruf und auf seine Fähigkeiten und wenn ihn jemand
fragt: „Wie geht es dir, Paul?“ kann er in der
Regel einfach sagen: „gut“ oder „nicht
schlecht“. Weiter fragte er sich das auch für
sich selbst eigentlich nicht. Jetzt hier in der Nähe
seiner plaudernden Freundin sitzend, fragte er sich, ob er
wirklich ehrlich mit sich selbst ist und ob für ihn
auch solche Gespräche möglich sind.
Was hat diese Situation mit dem Co-Counseln zu tun?
Jemand
fragt sich, ob er sich anders verhalten und anders empfinden
kann. Das ist ein Gedanke an Veränderung. Ein Gedanke
daran, über
das hinausgehen zu wollen, was ist, kann Anlass sein, mit
dem Co-Counseln zu beginnen. Deshalb steht hier zu Beginn
der Erklärung des Co-Counselns etwas über Veränderungswünsche.
Ausgangspunkt Veränderungswünsche
Einem eigenen Wunsch nach Veränderungen nachzugehen,
ist ein Ausdruck von Hoffnung, macht lebendig und führt
zu neuen Lebensentwürfen, Impulsen und Freundschaften
und manchmal sogar in ganz unerhoffte Welten.
Mit einem Wunsch nach Veränderungen oder sogar mit
deren Notwendigkeit konfrontiert zu sein kann auch Angst
machen, die relative Sicherheit dessen, was man kennt, zu
verlassen und dafür zuerst etwas ungewisses, neues einzutauschen.
Deshalb gibt es auch fast immer einen inneren Widerstand
gegen Veränderungen.
Geschehen Veränderungen, kann das wehtun – und
schön sein. Veränderungen können Lust auf
mehr machen oder einen immer starrer an dem festhalten lassen
was man kennt – manchmal sogar dann, wenn dieses wirklich
nicht erfreulich ist. Mit diesen Aspekten, dem Wunsch nach
Veränderung, dem Widerstand dagegen und den Möglichkeiten
Schritte zu tun beschäftigt sich das Co-Counseln und
damit auch dieses Handbuch.
Von jemand, der beschämt feststellt, dass er die Möglichkeit
von Veränderung nicht wahrgenommen hat, schreibt Bertold
Brecht in seinen "Geschichten vom Herrn Keuner" unter
dem Titel "Das Wiedersehen": "Ein Mann, der
Herrn Keuner lange Zeit nicht gesehen hatte, begrüßte
ihn mit den Worten: "Sie haben Sich gar nicht verändert!" "Oh",
sagte Herr Keuner und erbleichte!"
Kann ich das Lernen?
Zurück zu der oben beschriebenen Situation: Dort spürt
Jemand den Wunsch nach Veränderung und fragt sich: „Kann
ich das?“. Die Weiterführung davon ist die Frage: „Kann
ich das Lernen?“
Co-Counseln ist ein Werkzeug für solches Lernen. Wenn
man also sich selbst besser verstehen und seine Möglichkeiten
erweitern möchte, kann das ein Grund dafür sein,
sich mit dem Co-Counseln zu beschäftigen.
Was unterscheidet das Lernen bei Co-Counseln von dem Lernen,
das jeder aus der Schule, aus Kursen oder aus dem Selbststudium
aus Büchern kennt?
Wer in einem Kurs oder im Selbststudium die Schritte für
einen Tanz, oder die Bedienung eines Grafikprogramms am Computer
lernt, erweitert (verändert) seine äußeren
Möglichkeiten. Er braucht eine positive Vorstellung
davon, was mit den neuen Fähigkeiten, z.B. zu tanzen,
verbunden ist, er braucht eine positive Einstellung zu sich
selbst, dass er grundsätzlich in der Lage ist in angemessener
Zeit das zu lernen und er braucht Vertrauen in die Methoden
des Lernens. Das alles benötigt er, um die anfängliche
Mühe, die mit dem Lernen verbunden ist, auf sich zu
nehmen.
Lernen, das die Veränderung eigener Verhaltensmuster,
Sichtweisen und Gefühle im Blick hat, bedarf genauso
eine positive Vorstellung davon, dass eine Veränderung überhaupt
möglich ist, ein Bewusstsein der eigenen Kräfte
und Fähigkeiten dafür und ein Vertrauen in die
Methoden. Der Unterschied z.B. zum Bedienen-Lernen eines
Grafikprogramms am Computer ist, dass dieses Lernen den Kern
der eigenen Person betrifft. Wenn das eigene Zentrum im Bewegung
kommt, sind neben Hoffnung und Enthusiasmus auch Ängste
und Widerstände da. Sich in diesem Feld immer wieder
orientiert zu bewegen, wird therapeutisches Lernen genannt.
Therapeutisches Lernen
Für dieses therapeutische Lernen gibt es zahlreiche
Methoden. Wo Andere vielleicht dafür professionelle
Unterstützung bei einem Therapeuten oder Coach suchen,
unterstützen sich beim Co-Counseln zwei Personen im
Wechsel gegenseitig. Beide haben vorher dafür in einem
Einführungskurs die beim Co-Counseln eingesetzten Techniken
aus Therapie und Coaching gelernt. Sie haben von den Methoden
der Profis an zwei Wochenenden das gelernt, was durch eine
mehr als 30 Jährige Praxis davon als handhabbar und
wirkungsvoll für das Unterstützen auf Gegenseitigkeit
herausgefunden worden ist. Sich so gegenseitig zu unterstützen
ist kostenlos, man unterstützt genauso, wie man unterstützt
wird. Bezahlt wird allein einmalig das Training zum erlernen
der Methoden.
Beim Co-Counseln treffen sich Menschen,
* die sich selbst besser verstehen wollen,
* die über sich selbst denken, dass sie manchmal an ihre Grenzen
stoßen und sich lernen wollen klarer und handlungsfähiger
bleiben zu können,
* die sich weniger Stressreaktionen bei sich selbst wünschen und
die bei Stress leichter klare Gedanken fassen möchten,
* ie nach einem Raum suchen, wo sie Belastungen los werden können,
wo sie sich etwas von der Seele reden können,
* die daran glauben, das Lernen und Veränderung für sie möglich
sind.
Überschriften für wichtige Dinge beim Co-Counseln
könnten sein:
Co-Counseln bedeutet ...
* ein Netzwerk zu haben, in dem man sich mit jemandem für
Sitzungen auf Gegenseitigkeit verabreden kann.
* Techniken aus der humanistischen Psychologie gelernt zu haben und damit
an sich zu arbeiten und den Anderen zu unterstützen.
* einen sicheren Rahmen zu haben, um sich öffnen und ausdrücken
zu können.
* abwechselnd über sich zu sprechen und einem Anderen zuzuhören.
* Ballast abzuwerfen, mehr von dem zu entdecken, was in einem steckt,
sich selbst besser verstehen zu lernen.
* Hoffnung zu haben, dass es mehr Möglichkeiten für einen gibt,
als manche Situationen sofort erkennen lassen.
* Verantwortung für sich selbst und das eigene Tun zu übernehmen.
Was macht man beim Co-Counseln konkret?
Man trifft sich zu zweit. Einer spricht über sich,
der Andere hört zu und unterstützt ihn mit Techniken
und Interventionen, die beide gelernt haben und kennen. Nach
der Hälfte der Zeit wechseln die Rollen. Was hier ausgesprochen
wird, unterliegt der Verschwiegenheit. So entsteht ein Raum,
in dem man sich sicher fühlen kann. Manchmal kann man
so auch das aussprechen und loswerden, was man zu Freunden
kaum sagen kann, und man sich vielleicht kaum selbst zu
denken traut. Man befreit sich von Druck und Blockaden, man
kann wieder klarer denken und weiß mehr, was man wirklich
will und was man tun kann.
Hintergrund:
Am Wort 'Co-Counseln' kann man folgendes ablesen:
• 'Counseln' heißt, mit sich zu Rate zu gehen,
und
• 'Co' besagt, dass man sich dabei gegenseitig unterstützt.
Co-Counseln wurde in den fünfziger Jahren in den USA
entwickelt. In verschiedenen Therapierichtungen der humanistischen
Psychologie (Rogers u.a.) arbeitete man auf der Grundlage,
dass jeder selbst wissen kann, was gut für ihn ist und
Verantwortung für sich übernehmen kann. Da lag
es nicht fern, dass Laien sich mit diesen Ideen selbständig
machten.
Das Co-Counseln in Hamburg ist heute Teil eines losen Zusammenschlusses
von Co-Counsel-Netzwerken in verschiedenen Ländern (CCI, Co-Counselling-International).
Diese stellen einen Zusammenhang für die Weiterentwicklung und Kontrolle
der Methoden dar. Den Zusammenhalt des Netzwerks in Hamburg bilden offene
monatliche Treffen.
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