| 1 Umlenken
                  der AufmerksamkeitZieleZu Beginn einer Sitzung: Mehr Aufmerksamkeit für die Sitzung
                  zur Verfügung zu haben (Als Klient für den eigenen
                  Klärungsprozess, als Counseler für das unterstützende
                  Begleiten).
 Während einer Sitzung: Die Balance der Aufmerksamkeit
                  zwischen der Sicherheit in der Sitzung und der gerade bearbeiteten
                  Situation herzustellen.
 Nach einer Sitzung: Die Aufmerksamkeit des Klienten wieder
                  nach außen zu richten, damit er sich in der Rolle des
                  Counselers auf den Prozess des Klienten konzentrieren kann
                  und er auch sonst, wenn es erforderlich ist, seine fünf
                Sinne beieinander hat.
 MethodeEin Umlenken der Aufmerksamkeit auf die Gegenwart geschieht
                    durch Tätigkeiten, die keine besonderen Gefühle
                    auslösen, aber Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Dafür
                    kann man z.B. sich die Schuhe zubinden, dieses genau beobachte
                    und detailliert beschreiben. Je weniger Bewertungen darin
                    stecken, die möglicherweise auf ein Gefühl lenken,
                    desto wirkungsvoller kann die Beschreibung für das Herstellen
                    der Konzentration sein, Ein Satz wie ‘Ich sehe ein
                    weißes Band mit einem Flechtmuster, dessen Enden in
                    zylindrischen Kunststofftüllen stecken ...’ ist
                    dafür geeigneter als: ‘Ich sehe ein wunderschönes
                weißes Band, es ist nicht richtig zugeknotet ...’
 Zu Beginn einer Sitzung können Klient wie Counseler noch
                  sehr mit der gerade verlassenen Alltagssituation beschäftigt
                  sein. Selbst für den Fall, dass der Klient sich genau
                  mit dieser Situation in seiner Sitzung beschäftigen möchte,
                  kann er kraftvoller und differenzierter darüber sprechen,
                  wenn er in der Lage ist auch einen Teil seiner Aufmerksamkeit
                  auf den gerade stattfindenden Prozess selbst richten zu können.
                  Der Counseler braucht seine Aufmerksamkeit, um konzentriert
                  unterstützen zu können.Damit man nicht länger abgelenkt ist, kann man bewusst
                  die Umgebung wahrnehmen. Z.B. kann die genaue Beschreibung
                  eines Gegenstandes, der sich neben einem im Raum befindet,
                  (die Ecke des Teppichs, die Fußleiste oder wie gesagt,
                  der Schnürsenkel am Schuh ...) solch eine Präsenz
                  in der Gegenwart herstellen. Das Objekt sollte ohne besondere
                  Bedeutung für den Beschreibenden sein, jedoch so detailliert
                  und komplex beschrieben werden, dass dafür die gesamte
                  Aufmerksamkeit erforderlich ist.
 Ein sinnvolles Arbeiten in einer Sitzung setzt das Bewusstsein
                  voraus, sich in einer sicheren Situation zu befinden. Sich
                  in der Sitzung auf diese Sicherheit zu beziehen wird im Co-Counseln ’Balance
                  der Aufmerksamkeit’ genannt. Scheint der Klient durch
                  das tiefe Nacherleben vergangener Situationen die sichere
                  Gegenwart vergessen zu haben, so können Vorschläge
                  des Counselers diese Sicherheit wieder herstellen: ’Atme!’, ’Wie
                  heißt die Straße in der du dich befindest?’, ’Welches
                  Datum haben wir heute?’, ’Welche Farbe hat deine
                  Socke?’ Kleine konkrete Aufgaben sollen den Klienten
                  in der Gegenwart verankern, nicht aber seinen Prozess des Nacherlebens
                  behindern. Im Gegenteil, je sicherer er sich in der Gegenwart
                  fühlt, desto kraftvoller kann er sich belastende Situationen
                  in der Vergangenheit ansehen. An dieser Stelle kann vielleicht
                  besonders leicht deutlich gemacht werden, warum es für
                  Co-Counsel-Sitzungen erforderlich ist, das beide die Techniken
                  kennen. Man braucht sich dazu nur das Gespräch mit einem
                  Freund vorzustellen, in dem dieser über den Ärger
                  einem Arbeitskollegen spricht, sich immer mehr darin verliert
                  und er dann nach der Farbe seiner Socke gefragt wird. Jemand
                  der das Co-Counseln gelernt hat, würde in seiner Sitzung
                  wohl kurz nach unten blicken, ’rot’ (oder ’grau’)
                  sagen, wissen (und spüren) warum er das gerade tut und
                  weiter über sich und den Konflikt sprechen.  Nach einer Sitzung sollte die Aufmerksamkeit wieder für
                  die Außenwelt zur Verfügung stehen. Das Umlenken
                  der Aufmerksamkeit hierfür nennt man im Co-Counseln kurz
                  'Zurückkommer'. Besonders wichtig sind 'Zurückkommer',
                  damit man nach dem Rollentausch als Counseler den Klienten
                  aufmerksam unterstützen kann und nicht mit einem Teil
                  seiner Gedanken in seinem Prozess gefangen bleibt. Was man
                  dazu tun kann wird in den folgenden Vorschlägen des Counselers
                  deutlich: Vorschläge des Counselers für ‚Zurückkommer’-	Aufmerksamkeit auf die Umgebung richten:
 -	Beschreibe das Blatt dieser Pflanze!
 -	Beschreibe deinen Schuh!
 -	Zeige auf sechs blaue Gegenstände im Raum!
 -	körperliche Handlungen, die Aufmerksamkeit erfordern:
 - Zeichne mit der rechten Hand einen senkrechten Kreis vor
                  dem Bauch, mit der linken einen waagerechten über dem
                  Kopf – ändere die Drehrichtung der rechten Hand!
 -	Balanciere auf der Teppichkante – vorwärts und
                  rückwärts!
 -	einfache Denkaufgaben:
 -	Zähle von 93 rückwärts in siebener Schritten!
 -	Buchstabiere deinen Namen rückwärts!
 -	Nenne vier Vögel, deren Name mit ’P’ anfangen!
 -	Bilde einen Satz dessen Wörter mit den ersten 4 Buchstaben
                  von xxx beginnen! (xxx kann z.B. das letzte Wort sein, das
                  der Klient gesagt hat. So - oder anders - ein wenig miteinander
                  zu spielen, wirkt an sich schon als ‚Zurückkommer’ und
                  kann beide wieder in Kontakt mit ihrer Leichtigkeit bringen,
                  falls dieser in der Sitzung gerade überlagert war.)
 -	Fünf Dinge im Raum, die mit ’T’ beginnen!
 - Was kann man mit einer Zitrone, einem Autoreifen und einem
                  Pfund Butter machen? (Vielleicht entsprechend der ’zufälligen
                  Begegnung von Nähmaschine und Regenschirm auf einem Seziertisch’ (Lautréamont).
                  Ein Beispiel für das von den Surrealisten beobachtete
                  Phänomen, dass die Annäherung von scheinbar wesensfremden
                  Elementen die ’stärkste poetische Zündung’ provozieren
                  kann.)
 Beachte
 Jeder sollte einen ‚Standard-Zurückkommer’ kennen,
                  den er dem Klienten jederzeit sofort anbieten kann.
 HintergrundAufmerksamkeit umlenken zu können ist Voraussetzung für
                  jede Sitzung. Es gibt mir die Sicherheit, mich auf das Nacherleben
                  belastender Situationen einlassen zu können, da ich weiß,
                  dass ich mich jederzeit wieder aus ihnen herausbegeben kann.
 Während der Sitzung arbeite ich aus einer Balance der
                  Aufmerksamkeit heraus. Ich bin während der Arbeit sozusagen
                  mit einem Bein in der belastenden Situation. Da ich gleichzeitig
                  mit dem anderen Bein in der Gegenwart bin, in der ich mich
                  sicher fühle und zu handeln in der Lage bin, kann ich
                  mehr von der belastenden Situation ansehen und nacherleben,
                  als mir dies ohne dieses Bewusstsein möglich wäre.
                  Geht diese Balance der Aufmerksamkeit in einer Sitzung verloren,
                  kann ich sie wiederherstellen, indem ich meine Aufmerksamkeit
                  auf die Gegenwart richte.
 Folgende Alltagssituation im normalen sozialen Kontext kann
                  das produktive Potential der Balance der Aufmerksamkeit vielleicht
                  besonders anschaulich darstellen: Zwei Erwachsene sitzen in
                  einem Zimmer und reden miteinander. Das Gespräch kreist
                  um ein Problem und kommt nicht so recht voran. Jetzt klingelt
                  es. Der Briefträger gibt ein Paket für die Nachbarn
                  ab. Danach ist möglicherweise die Situation wie verwandelt.
                  Es werden neue Ideen entwickelt - beide sitzen wahrscheinlich
                  jetzt auch etwas anders. Beide sind auf das sichere Miteinander
                  in der Gegenwart aufmerksam geworden, ohne den Gesprächfaden
                  dabei verloren zu haben. Das hat Kraft für das Gespräch
                  gegeben und neue Impulse aufkommen lassen.
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