Wann hören wir zu? Wir hören dann zu, wenn
wir nicht weghören. Wir hören dann weg, wenn
wir das Gehörte weg zu einem uns Bekannten
tragen und es dort sicher unterbringen. Wir können dann zuhören, wenn wir das Gehörte nicht
verstehen, sondern ihm nachgehen, ob es uns
an spricht. Damit es uns aber ansprechen kann,
bedarf es der Stille des Nichtwissens, in der es überhaupt zu uns sprechen kann und gehört werden kann.
Dr. Christian Müller, Psychiater und Neurologe, Wien, Denkerische Grußworte an die Lesungsreihe „4x4 Philosophie Pur“
Zuhören ist Partizipieren: Wenn ich wirklich
zuhöre, kann ich teilhaben an etwas Größerem, ich kann teilhaben am Wesen meiner
Gesprächspartnerin, und wir können in einen gemeinsamen, erfrischenden Fluss von
Austausch eintreten, der im Moment entsteht
und nicht aus der Erinnerung erzeugt ist. Das
ist Teilhaben am Sein an sich.
William Isaacs, Britischer Philosoph, Dialog als Kunst gemeinsam zu denken
Nicht wie wir zu anderen sprechen, noch was wir
zu anderen sagen bestimmt unsere inneren Beziehungen, sondern wie wir den anderen zuhören. Das
heißt: wie lange und wie tief wir das Gesagte in uns
klingen lassen können, ohne sofort zu reagieren. In
dieser disziplinierten Verhaltenheit des Zuhörers liegt
die ganze Kunst des Zuhörens. Nur der hört wirklich
zu, der nicht nur während jemand spricht, sondern
auch nachdem jemand gesprochen hat, immer noch
zuhören und in sich hinein hören kann.
Peter Wilberg, Britischer Philosoph und Psychologe, The Therapist as Listener, Martin
Heidegger and the Missing Dimension of Counselling and Psychotherapy Training
Jeden Morgen weckt
Gott mir das Ohr, da
mit ich höre, wie Lehrlinge hören.
Martin Buber, österreichisch-israelischer jüdischer Religionsphilosoph, Übersetzung eines Verses aus dem Buch Jesaja
Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: zuhören. Das ist nichts besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das
ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo
sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig. Momo konnte so zuhören,
dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanke kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß
nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Dabei schaute
sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an und der Betreffende fühlte, wie
in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in
ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei
und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und
er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt
und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf - und er ging hin
und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete,
auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie
er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine
besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören!
Michael Ende, deutscher Schriftsteller, Momo, oder die seltsame Geschichte von den Zeitdieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte
Wer nicht hören
will, lässt es den
anderen fühlen.
Peter Sloterdijk, deutscher Philosoph, Kritik der zynischen Vernunft, Band 1
Die anspruchsvollste Höraufgabe des Menschen in meinem Verständnis ist der Gehorsam im besten Sinne des Worte, das will heißen,
die Bereitschaft von mehreren gemeinsam auf das zu hören, was zu
tun ist, was uns miteinander verbindet, was wir einander geben können, damit miteinander Menschen das haben, was sie füreinander
brauchen. Das Wort Gehorsam kommt von „horchen“ und kommt von
einer Bereitschaft etwas Gemeinsames zu unternehmen, gemeinsam
hinzuhören, das heißt nicht blind gehorchen und aufs Wort parieren,
sondern miteinander hören um zu schauen, was für uns alle da ist und
dann diese Gaben, die wir dann „erhorchen“ so gerecht zu verteilen,
dass alle etwas davon haben. Wir haben ein feines Gespür, ein inneres Bedürfnis zu ergründen was wir brauchen. Im Grunde wissen wir
es. Wir wissen nur nicht, wie wir es dann, wenn es da ist und wenn
es uns zufällt, so verteilen, dass es für alle reicht.
Dr. Arnold Metnitzer, österreichischer Theologe und Psychotherapeut, Künstler Ohrenmensch
„Erzählen Sie mir alles, was
Sie mir erzählen möchten“,
sagte sie. „Und ich werde zuhören.“ Sie faltete die Hände
im Schoß. „Fangen Sie an.
Ich höre.“
Jonathan Franzen, US-amerikanischer Schriftsteller, Die Korrekturen (The Corrections)
Höre, mein Herz, wie sonst nur Heilige
hörten: dass sie der riesige Ruf aufhob
vom Boden; sie aber knieten, Unmögliche, weiter und achtetens nicht: So waren sie hörend. Nicht, dass du Gottes
ertrügest die Stimme, bei weitem. Aber
das Wehende höre, die ununterbrochene Nachricht, die aus Stille sich bildet.
Rainer Maria Rilke, österreichischer Autor und Lyriker, Die erste Duineser Elegie
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