Co-Counsel-Techniken in der Lehrerausbildung

Coaching in der Referendarausbildung

mit Techniken der gegenseitigen Assistenz

Übersicht über die Arbeitsweise

hier wird ein Ziel formuliert
hier wird Klarheit über eine Situation hergestellt
hier werden Handlungen benannt, die notwendig sind, ein Ziel zu erreichen
Assistent
    

Arbeitender

    
Einigung über die Zeit
    
hilft durch Interventionen,
Rollen bei reflexivem Arbeiten:
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entscheidet, was er bearbeite,

gibt
keine Ratschläge!
keine Bewertungen!

    

bestimmt den Kontrakt,
arbeitet an seinen Fähigkeiten.

äußert auf Anforderung alle seine Ideen und Vorschläge zur freien Auswahl

Rollen bei
projektivem Arbeiten zusätzlich:

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fragt hier nach, und wechselt zwischen verschiedenen Kontrakten
    
diskutiert wird nicht
    
    
nach der Hälfte der Zeit werden die Rollen gewechselt
    

Coaching in der Referandarausbildung

Durch Coaching wird ein Vorhaben oder eine vergangene Situation bearbeitet. Geganstand der Arbeit sind die eigenen Fähigkeiten.

Es geht um Fähigkeiten wie:

  • Für sich Ziele formulieren können,
  • die eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen können,
  • Widerstände kennenlernen, die daran hindern, das zu tun, was nötig ist, um in einer Situation Erfolg zu haben,
  • Wege zu finden, diese Widerstände zu überwinden,
  • Dinge für sich ´klar zu haben´ und deshalb entscheidungsfähig zu sein,
  • sich mehr als Ausgangspunkt von Handlungen zu erleben und weniger als behandeltes Objekt.

Die dafür verwendete Technik der gegenseitigen Assistenz ermöglicht ein effektives Arbeiten, d.h. man kann in kürzerer Zeit mit einem besseren Gefühl mehr "auf die Reihe bekommen" als eben ohne diese Technik.

Basics der gegenseitigen Assistenz sind:

1. Zwei Personen assistieren sich gegenseitig. Eine Person arbeitet, eine Person assistiert dabei, dann wechseln die Rollen.

In jeder Sitzung hat jede Person die gleiche Zeit zum Arbeiten. Die Zeiten werden vor der Sitzung fest abgesprochen. Üblich sind 2 mal 10 bis 2 mal 45 Minuten. Die vereinbarte Zeit wird genau eingehalten. Bei größeren Arbeiten muß der Rollentausch nicht innerhalb einer Sitzung stattfinden.

2. Die arbeitende Person ist allein verantwortlich für das Geschehen in der Sitzung:

  • sie bestimmt allein, worüber sie spricht.
  • sie entscheidet vor der Sitzung über den Kontrakt bezüglich der von ihr gewünschten Interventionen.
  • sie entscheidet allein, ob sie einer Intervention des Assistenten folgt oder nicht.

3. Die assistierenden Person

  • gibt dem Arbeitenden ihre ganze Aufmerksamkeit.
  • interveniert in Übereinstimmung mit dem vom Arbeitenden gewünschten Kontrakt.
  • achtet auf die Zeit, besonders, wenn es auf das Ende einer Sitzung zugeht.
  • unterstützt den Arbeitenden bei seinem Vorhaben.

4. Der Kontrakt, den der Arbeitende wählt, beinhaltet die Häufigkeit und die Art der Intervention des Assistenten.

Geeignete Kontrakte für das Nacharbeiten einer Situation sind: Ein geeigneter zusätzlicher Kontrakt für das projektive Vorarbeiten/Entwerfen von Situationen ist:

1. Zuhören: nur aufmerksam zuhören

2. Normal: nur Vorschläge für genaueres Beschreiben machen, für die Intensivierung des Arbeitsprozesses machen.

3. Intensiv intervenieren: Viele Vorschläge machen, was der Arbeitende konkret jetzt beim Arbeiten an sich selbst tun soll (ist an einige Vorerfahrung gebunden.)

4. Einen Block mit Vorschlägen, Ideen oder Sichtweisen auf ausdrückliche Anforderung abgeben. Eigene Kreativität und Erfahrungen zur freien Auswahl darlegen.

Der Kontrakt kann während der Sitzung vom Arbeitenden jederzeit geändert werden.

5. Vertraulichkeit:

Alles, was der Arbeitende in der Sitzung sagt, ist vertraulich. Es darf auf keinem Wege und in keinem Kontext wiedergegeben werden, es sei denn, der Arbeitende ist damit ausdrücklich einverstanden.
Ohne das Vertrauen, daß die Vertraulichkeit und die anderen Regeln der Sitzung eingehalten werden, ist ein effektives Arbeiten nicht möglich.

6. Die Beziehung zwischen den zusammenarbeitenden Personen:

  • Es darf keine Antipathie vorhanden sein.
  • Man muß den Anderen in seiner Andersartigkeit mit Interesse tolerieren können.
  • Ein gemeinsames Grundverständnis gegenüber sachrationalen Fragen und Gefühlen erleichtert die Arbeit.
  • Die Methoden der Intervention sollten mit der Zeit gut beherrscht werden.
  • Befreundet zu sein ist unnötig, manchmal erschwert es sogar das miteinander Arbeiten, da zu viele Beziehungsaspekte störend hineinwirken.

Allgemein gilt für die gegenseitige Assistenz:

  • Der Arbeitende arbeitet an sich selbst. Er erklärt sich selbst etwas, nicht etwa dem Assistenten, es ist sein Lernprozess, er bewertet sich allein, er entwirft, er projektiert sein Verhalten.
  • Es wird nicht diskutiert.
  • Der Arbeitende geht auf eine Intervention ein oder verwirft sie ohne Begründung. Die Intervention selbst wird nicht thematisiert; das kostet nur Zeit und lenkt die Konzentration des Arbeitenden von seinem Thema ab.
  • Es gibt keine inhaltlichen Interventionen, Es werden keine Vorschläge gemacht. Es wird nicht bewertet ("Das ist gut", o.ä.). Es werden keine Ratschläge gegeben.
  • Allein beim gestaltenden Arbeiten mit Kontrakt 4 wird nach Anforderung oder vereinbarten Zeitpunkten eine Sequenz mit Stellungnahmen, Ideen oder gestaltenden Vorschlägen abgegeben. Hier wird der Arbeitende an geeigneten Stellen nachfragen oder seinen Bedarf an zu produzierenden Gedanken und Ideen präzisieren, aber auch hier wird nicht diskutiert.
  • Mit zunehmenden Erfahrungen im Assistieren entwickelt sich im Arbeitenden ein innerer Assistent. Dies ist eine wichtige Hilfe beim eigenen Arbeiten.

Beispiele für Interventionen beim Nacharbeiten einer Situation:

  • Sprich über eine bestimmte Situation.
  • Was war das Besondere an dieser Situation?
  • Beschreibe das genauer.
  • Beschreibe, wie es angefangen hat.
  • Zähle andere Möglichkeiten auf, wie man sich dazu verhalten kann.
  • Beschreibe das Gefühl, das Du in der Situation hattest.
  • Beschreibe das Aussehen, die Geste, den Gesichtsausdruck, die Stellung der Personen zueinander.
  • Rede im Präsens.
  • Wiederhole den Satz noch einmal.
  • Beschreibe das Ziel, das Du in der Situation hattest.
  • Beschreibe, wie Du in der Situation hättest agieren mögen.
  • Beschreibe die Beweggründe für Dich, die für Deine Handlung maßgebend waren.
  • Was ärgert Dich an der Situation?
  • Beschreibe die Szene noch einmal ganz genau von vorn.
  • Welches ist Dein erster Gedanke dazu?
  • Was würdest Du der Person jetzt sagen wollen?
  • Was ist in der Situation ungesagt geblieben?
  • Zähle zwei Minuten positive Dinge auf, die in der Situation waren.
  • .........................................................................
  • .........................................................................
  • .........................................................................

Interventionen für das projektive Vorarbeiten können zum Beispiel zusätzlich folgendes enthalten:

  • Was ist Dein Ziel?
  • Was willst Du? (Nicht: "Was mußt Du?")
  • Beschreibe den Gedanken genauer.
  • Was stellst Du Dir darunter vor?
  • Welche anderen Möglichkeiten gibt es, sich in der Situation zu verhalten?
  • Welche Möglichkeiten gibt es für Dich, sich in der Situation zu verhalten?
  • Welche dieser Möglichkeiten gefällt Dir für Dich am besten?
  • Was könntest Du tun, um darin sicherer zu werden?
  • Welche Hilfe könntest Du Dir holen?
  • Beschreibe, wie Du Dir als Schüler den Unterricht vorstellst.
  • Stell Dir vor, Du hast ´keine Ahnung´. Wie würdest Du dann den Unterricht planen?
  • Was würde Dir zusätzliche Sicherheit in der Situation verschaffen?
  • Welche verschiedenen Techniken stehen Dir dafür zur Verfügung?
  • Welche Risiken gehst Du dabei ein?
  • .........................................................................
  • .........................................................................
  • .........................................................................

 

Hinweise zum Ablauf einer Sitzung:

Vor der Sitzung:

Kein small talk!

Der Weg zu einer Sitzung ist oft auch schon eine wertvolle Konzentration für das Arbeiten. Jedes neue Thema, das angeschnitten wird, zerstreut die Aufmerksamkeit und bedarf einer zusätzlichen Anstrengung in der Sitzung. Selbst die Frage "wie geht es?" ist oft nicht hilfreich, man kann sie deshalb weglassen.

Der Anfang:

Um kraftvoll arbeiten zu können, muß die Aufmerksamkeit des Arbeitenden auf konkrete Situationen nach außen umgelenkt werden. Man kann ihn auffordern, einen Gegenstand zu beschreiben, die Haltung beim Verlassen des Unterrichts noch einmal einzunehmen und darin eine Minute zu verharren oder das Fenster zu öffnen und wieder zu schließen und alle Handbewegungen zu beschreiben (alles was Aufmerksamkeit beim Tun verlangt).

Bei unkonzentrierter oder abstrakter Rede ist es oft sehr hilfreich, den Arbeitenden aufzufordern, einige angenehme Momente aus der vergangenen Situation genau zu beschreiben.

Die Mitte:

Der Arbeitende bringt seine Erinnerungen an eine vergangene Situation oder ein vorbereiteten Entwurf für ein Vorhaben in die Sitzung mit. Um effizient zu sein, sollten möglichst viele Aspekte von äußerer und innerer Realität in ihren Wechselwirkungen bearbeitet werden. Die sachrationalen Fragen zur Beurteilung einer Situation z.B. genauso wie die Gefühle, ohne deren Beschreibung eine Situation oft nicht ausreichend geklärt werden kann. Welche Aspekte wie bearbeitet werden, bestimmt der Arbeitende allein.

Größere Arbeiten können in einer Sitzung nur für die ´mitgebrachte´ vorgearbeitete Bearbeitungsstufe vervollständigt, korrigiert oder verworfen werden.

Das Arbeiten besteht in Formulieren, Aussprechen, auf den Begriff bringen, einen Namen geben. Es ist ein aktives, neues, immer auch versuchsweises Zugreifen auf Realität, ein Ausprobieren in einem Labor.

Das Ende:

Vor Ende der Sitzung sollte sich der Arbeitende die Zeit nehmen, diese mit Beschreibung eines positiven Vorhabens oder von positiven Aspekten der vergangenen Situation oder einer Selbstwertschätzung abzuschließen, damit man nach der Sitzung eine freie Aufmerksamkeit hat, einem gefühlsmäßig "nichts nachhängt". Eine Sitzung sollte möglichst nicht mit der Beschreibung eines ungelösten Problems enden. Der Assistent kann dazu den Arbeitenden auffordern, alle angedachten Lösungsvorchläge noch einmal aufzuzählen, sich für das Arbeiten in der Sitzung wertzuschätzen.

Hamburg 23. 6. 94      Rudolf Giesselmann