Therapie ohne Therapeuten
"Co-Counseling" will psychologische Selbsthilfe und soziale
Vernetzung miteinander verbinden / Das Ende der Experten
Aus Therapien oder auch aus einem guten Gespräch weiß jeder,
wie erleichternd es ist, sich den inneren Müll mal von der Seele
reden zu können. Was ausgesprochen, bearbeitet, geklärt ist,
belastet nicht länger. Energien werden frei, das Lebensgefühl
wird besser.
In den USA, aber auch in England ist aus diesem Bedürfnis eine therapeutische
Methode entwickelt worden, die sich nun auch bei uns herumspricht: "Co-Counseling".
Gemeint ist damit eine Art Laientherapie, die auf dem Selbsthilfegedanken
beruht. Bereits vor fünf Jahren entstanden erste Co-Counseling-Gruppen
in Hamburg. Inzwischen hat auch KISS die Methode entdeckt und bietet im
Januar eine Einführung an.
"
Counseln" unterstützt zugleich die Selbstreflektion und das
konzentrierte Zuhören. Die Methode ist einfach: Man arbeitet zu zweit
und sitzt sich gegenüber. Einer beginnt und spricht über sich, über
die Gedanken, die ihn beschäftigen, die ihn bedrängen. Er/sie
ist der "Klient". Der andere ist der "Counselor" und
hört zu.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Therapien ist Co-Counseling das Ende
der Experten. Statt sich einem Fachmann anzuvertrauen und dafür bis
zu 150 Mark für die Stunde zu zahlen, geht es darum, den "inneren
Therapeuten" zu entdecken, der Gefühle aufmerksam registriert
und dabei hilft, ihnen Raum im Leben zu geben. Denn werden sie mißachtet
- so die Theorie -, dann rächt sich das in körperlicher und
seelischer Starrheit, in Feindseligkeit, Krankheit und Depressionen. Co-Counseln
will dabei helfen, mit sich selbst in innerem Kontakt zu bleiben und ein
authentisches Leben zu führen. Wie dieses Leben aussieht, welche
Werte und Inhalte es hat, bleibt jedem selbst überlassen. Die Counsel-Partner
geben einander lediglich Unterstützung bei der Selbstklärung.
Co-Counseln ist auch für Gruppen, die inhaltlich arbeiten wollen,
ohne den "subjektiven Faktor" auszuklammern, eine sinnvolle
Hilfe 1(Selbsthilfegruppen, Projektgruppen etc.). Im besten Fall entsteht
ein soziales Netzwerk von Leuten, die die Methode in einem Grundkurs gelernt
haben und bereit sind, sich miteinander zum Counseln zu verabreden.
Im Januar besteht an zwei Wochenenden die Möglichkeit, bei Roelof
Roggema, einem Trainer aus Amsterdam, der gut Deutsch spricht, die Grundlagen
des "Co- Counseling" zu lernen.
Gabriele Heise
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T930108.295 TAZ-HAMBURG Nr. 3903 Seite 28 vom 08.01.1993
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